[Wenn Sie aktuelle Nachrichten aus Berlin, Deutschland und der Welt live auf Ihr Handy haben wollen, empfehlen wir Ihnen unsere App, die Sie hier für Apple- und Android-Geräte herunterladen können.] Moderator Christian Sievers verstand sie damit, dass die Grünen trotz Gaskrise längere Amtszeiten über Ende 2022 hinaus ablehnen. Kretschmanns kein Staccato folgte. “Das habe ich nicht behauptet.” Weder die Grünen noch irgendeine andere demokratische Partei, nur die AfD, wollten zur Atomenergie zurückkehren, doch nun geht es um die Bewältigung einer Sondersituation. Für Finanzminister Robert Hambeck (Grüne) änderte sich die Situation radikal. Als er im März nach einer ersten Prüfung ankündigte, dass es im kommenden Winter auch ohne Atomkraft gehen werde, sah die Lage anders aus. Erdgas floss trotz der von Wladimir Putin angeordneten Invasion in der Ukraine und westlicher Sanktionen gegen Moskau zuverlässig durch die Ostsee-Pipeline Nord Stream 1. Deutschland ist nun ein Opfer seiner eigenen Energiepolitik, angekettet an russische Lieferungen.
Habeck spricht von möglichem „Sonderszenario“
Habeck betonte am Dienstagabend, er wolle unter bestimmten Bedingungen eine Weiterführung des Betriebs über das Jahresende hinaus nicht ausschließen. Beim sogenannten Stresstest könne sich ein „Sonderszenario“ ergeben, sagte Habeck der Sendung „RTL Aktuell“. “Die relevante Frage ist, ob die Stabilität des Stromnetzes in diesem Jahr durch weitere Maßnahmen sichergestellt werden muss.” Um eine ausreichende Rückspannung im Netz zu gewährleisten, ist eine gewisse Leistung des Kraftwerks notwendig. „Und jetzt schauen wir, ob dieses Jahr so extrem ist, dass sich dafür ein neues Szenario auftun sollte“, sagte Hambeck. Block 2 des Kernkraftwerks Neckarwestheim, das eigentlich Ende 2022 vom Netz gehen soll. Foto: Marijan Murat/dpa Der baden-württembergische Finanzminister Danyal Bayaz weist den angekündigten besorgten Blick von Gazprom auf die täglichen Lieferungen zurück, wonach nur 20 % der üblichen Menge über Nord Stream 1 geliefert werden. reduzierte Mengen. Putin hat uns dort, wo er uns haben will. Es ist tragisch“, kritisierte Bayaz. Damit diese Situation nicht zum Zusammenbruch ganzer Wertschöpfungsketten, kalten Wohnungen und unbezahlbaren Energierechnungen führt, damit möglichst viele Kubikmeter Erdgas tatsächlich nur noch für Heizung und Industrie genutzt werden können, bereiten die führenden Grünen eine Trendwende vor für Tage, sodass die verbleibenden Kernkraftwerke länger in Betrieb bleiben. Die Hoffnung ist, dass eine solche Botschaft, die für die Partei äußerst schwierig ist, auch die Bürger selbst dazu animiert, mehr Energie zu sparen, einschließlich kürzerer Duschzeiten.
In Frankreich sind 30 Kernkraftwerke stillgelegt
Einen entscheidenden Schub gab die Situation in Frankreich, denn neben der Erdgaskrise naht auch die Stromkrise, die durch die Gasengpässe noch verschärft wird. 30 der 56 Kernreaktoren sind dort außer Betrieb, unter anderem wegen Problemen mit dem Kühlwasser. Zur Unterstützung des Stroms wird derzeit in Deutschland viel Gas umgerüstet, was jedoch dazu führt, dass die Speicher für den Winter nur unzureichend gefüllt werden können. Als Zeichen der europäischen Solidarität, um Stromausfälle zu vermeiden. Europäische Partner üben daher enormen Druck auf Deutschland aus, weitere der letzten drei Reaktoren Isar 2 (Bayern/Eon), Neckarwestheim 2 (Baden-Württemberg/EnBW) und Emsland (Niedersachsen/RWE) am Netz zu lassen. Einige Grüne haben einen sogenannten Stretch-Betrieb nur wenige Monate länger ins Spiel gebracht, um noch nicht ausgelaufene Brennstoffzellen weiter zu nutzen. Allerdings wäre es eine echte Lebensverlängerung, wenn man sich auch dafür entscheiden würde, dass neue Brennstoffzellen von den Betreibern gekauft werden könnten.
Bereitet sich Habeck bereits auf eine Verlängerung vor?
In grünen Kreisen glaubt man inzwischen, dass das Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie beim Atomausstieg nicht mehr scheinheilig sei und an einer Entflechtung des Pakets und möglicherweise sogar an einer „echten“ Lebensverlängerung gearbeitet werden könnte – aber Grünen-Chefin Ricarda Lang hat dies bislang rundweg abgelehnt. Und Habecks Umfeld bestreitet solche Informationen klar. “Das ist Unsinn und nicht wahr.” Aber der Druck steigt jeden Tag. Letztlich könnte die Kernkraft als Brückentechnologie wieder ins Spiel kommen, die dabei helfen könnte, die kommenden Winter bis zur vollständigen Unabhängigkeit von russischen Gaslieferungen ohne größere Störungen zu überbrücken. Christian Dürr, Vorsitzender der FDP-Bundestagsfraktion, warnt vor einer schweren Energiekrise in ganz Europa. Foto: Michel Kappeler/dpa
Der grüne Anführer wirft zuerst die neuen Brennstäbe aus und dann wird der Trupp zurückgesetzt
Doch Grünen-Chef Lang tritt auf die Bremse. „Wir haben immer gesagt, dass wir das Erforderliche laufend anhand der Fakten überprüfen. Fakt ist aber, dass uns das Gas knapp wird und Kernkraftwerke kaum helfen. Eine Amtszeitverlängerung wird es bei uns nicht geben“, sagt Lang dem Tagesspiegel. Zunächst ermächtigte die Pressestelle der Grünen Lang, zu sagen: “Wir werden die Lebensdauer nicht verlängern, das heißt, wir bekommen neue Brennstäbe.” Später bestanden sie jedoch darauf, den Einsatz für die Brennstäbe zu entfernen – bei dieser kategorischen Ablehnung neuer Brennstäbe wäre sicher nur ein mehrmonatiger Weiterbetrieb möglich. Schließlich ist eine Regelung nicht ausgeschlossen, bei der ein längerer Betrieb aufgrund des Notfalls ermöglicht wird, aber offiziell nicht als Lebensverlängerung fungiert. Einen sogenannten Stretch-Modus, bei dem über das eigentliche Lebensende im Dezember 2022 hinaus noch brauchbare Brennstoffzellen genutzt werden können, schließt Lang sicher nicht aus. „Wir werden den Strom-Stresstest noch einmal machen. Natürlich schauen wir uns die Ergebnisse an, aber im Moment deutet nichts darauf hin.”
Die FDP will das Mandat bis 2024 verlängern
Eine Frage des Tagesspiegels zu diesen in der Partei kursierenden Informationen blieb zunächst unbeantwortet. Koalitions-Ampelpartner FDP drängt bereits auf eine baldige Änderung des Atomgesetzes. Der energiepolitische Sprecher der FDP-Fraktion, Michael Kruse, sagte dem Tagesspiegel: „Die deutschen Atomkraftwerke können bis zum Frühjahr 2024 verlängert werden. Sie können so dazu beitragen, dass Europa in den nächsten zwei Wintern nicht in Energieknappheit gerät.“
Forderung nach Atomgipfel im Kanzleramt
Kruse schlägt der Bundesregierung vor, auf einem Atomenergiegipfel mit Betreibern und Branchenverbänden zu klären, wie ein Höchstmaß an Sicherheit gewährleistet werden kann und ob dafür im Einzelfall kurzfristig neue Brennelemente benötigt werden. Für Frankreich appellierte FDP-Fraktionschef Christian Dürr an den Zusammenhalt der Grünen, die sich als europäische Partei verstehen. „Für den Winter erwarten wir europäische Solidarität. Deshalb ist es richtig, dass sich auch Deutschland solidarisch zeigt. Wir müssen also alles nutzen, was zur Stromerzeugung beitragen kann. Atomkraftwerke gehören dazu“, sagte Dürr der Bild-Zeitung.
Ökonomen kritisieren Habeck: Es brauche finanzielle Anreize, um Erdgas einzusparen
Habeck, der an diesem Mittwoch erstmals stellvertretend für den beurlaubten Bundeskanzler Olaf Solz (SPD) die Kabinettssitzung leiten wird, steht auch von anderer Seite unter Druck. Führende Ökonomen kritisieren Habeck dafür, dass er nur auf Sparforderungen statt auf mehr Konjunkturimpulse setzt. „Die Wirtschaft zeigt deutlich, dass Berufungen fast nichts bringen“, sagte Klaus Schmidt, Vorsitzender des Wissenschaftlichen Beirats im Wirtschaftsministerium, dem Handelsblatt. Er und seine 37 Kollegen schickten einen Brief an Minister Habeck. „Die Unkenntnis von Preissignalen rächt sich bereits“, kritisierte Veronica Grimm. DIW-Forscherin Claudia Kemfert kritisiert Energiesparversäumnisse Foto: imago images/Metodi Popow Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) hat im April gezeigt, wie viel Gas eingespart werden kann, wenn Sofortmaßnahmen ergriffen werden. Im besten Fall hätte der Erdgasverbrauch im Vergleich zu 2021 um fast 33 Prozent gesenkt werden können. Tatsächlich hat Deutschland in den ersten sechs Monaten des Jahres nur 16 Prozent eingespart. Das mag vielleicht noch etwas steigen, aber da der AKW-Ausbau für einen weiteren Stresstest ausgeschlossen ist, hat sich in Sachen Energieeinsparung über die Monate nur sehr wenig getan – das lässt die Aussichten düster werden. DIW-Projektleiterin Claudia Kemfert sagte dem Handelsblatt: „Viel besser als unser Worst-Case-Szenario kann es nicht werden.“