Rekordinflation, Energiekrise, halbleere Gasspeicher. Dazu kommen zerstörerische „Beliebtheit“-Werte für die Regierung und ein Kanzler („Alkohol oder Psychopharmaka“), der fast nie einen Fauxpas begeht, sondern die Salzburger Festspiele auslässt (aber eine ÖVP-Party ist möglich). Eine explosive Situation, vor allem wenn mehrere Bundesländer in Vorwahlen feststecken. Also, was sollten wir tun? Es brauchte einen Sommer-Blockbuster. Konkret: Ende der Maßnahmen gegen das Coronavirus. Sie hatten schlechte Erfahrungen mit dem “Ende der Pandemie”, also erfanden sie “Verkehrsbeschränkungen”, die niemand überprüfen werde. Verkehrsbeschränkungen ohne Verkehrspolizei sozusagen.

Das Quarantäne-Crash-Tagebuch

Sie sollten sich in den letzten Tagen zu einem politischen Frontangreifer entwickeln. “Heute” hat die Protokolldatei: ➤ Seit Mai fordern wichtige ÖVP-Länder (insbesondere die Herren Stelzer, Platter und Wallner) ein Ende der Quarantäne. Teile der Wirtschaft stimmten zu. ➤ Ein entsprechender Erlass wurde akribisch vorbereitet. Es wurde am vergangenen Montag finalisiert und den sechs Bundesländern und Wirtschaftsvertretern der ÖVP zur Zustimmung übermittelt. ➤ „Today“ erfuhr am Donnerstagvormittag von dem von Regierungsstrategen gewünschten Szenario. Grob skizziert: Geheimhaltung bis ins kleinste Detail, Leak zu einer breiten Wohlfühl-Sonntagszeitung, Montags Scheintreffen mit Staatsoberhäuptern (sechs waren bekanntlich sowieso schon im Sack), dann Mittwochs Präsentation vor dem Sommerkabinett in Mauerbach. Endlich schöne Fotos und fröhliche Menschen befreit von Corona-Regeln – das ist der Plan.

Die geheime Einstellung verursacht Probleme

➤ Doch nicht alle Startländer waren mit dem in Wien ausgearbeiteten „All-in“-Liberalisierungsplan zufrieden. Und so erfuhr “Heute” von dem Quarantäne-Projekt. ➤ Die Nachkontrolle war zunächst enttäuschend. Recherchen in den drei roten Ländern ergaben: „Wir haben keine Verordnung erhalten. Daher gehen wir davon aus, dass Pläne zur Aufhebung der Quarantäne ad acta gelegt wurden.“ ➤ Kurz darauf erhielt “Heute” den geheimen Verordnungsentwurf, der den politischen Plan eindeutig dokumentiert. ➤ Donnerstag um 12:01 Uhr, Today berichtete: „Regierung plant geheime neue Coronavirus-Regeln.“ ➤ Gesundheitsminister Johannes Rauch ist außer sich. Auf Twitter wird er sehr emotional, spricht über “das Wesentliche dessen, was zuvor ‘offenbart’ wurde” und schwört: “Noch ist nichts behoben”. ➤ Wien, Kärnten und das Burgenland sind empört. ➤ Für die Krönung am Sonntag war es noch möglich, einen „Beschwichtigungsgipfel“ mit ihnen anzukündigen. Tatsächlich hatten die Länder zu einem Inflationsgipfel aufgerufen, der geschickt hätte vermieden werden können.

staatliche Fortschritte

➤ Montagnachmittag war es soweit. Die Länder tauschten sich mit der Regierung aus – Michael Ludwig (Wien, SPÖ) und die Landeshauptfrau von Vorarlberg Barbara Schöbi-Fink (ÖVP) erschienen persönlich im Kanzleramt, der Rest konnte sich anschließen. Wieder blieben sie beim Spott. Das Dekret soll unvollständig gewesen sein. Stattdessen wurde den Staatskaisern ein 64-seitiger „Variationsmanagementplan“ vorgelegt. Tadel eins: Es ist von Mai. Am 6.5. Minister Rauch informierte Reporter in einem Hintergrundgespräch über die 4 Herbstszenarien. Zwei Mängel: Ein Punkt sieht einen neuen Lockdown vor – er wurde zeitgleich mit dem Stopp der Maßnahmen vorgelegt. Auch von einem Coronavirus-Register war die Rede – derzeit registrieren sieben von neun Ländern gar nicht oder nicht vollständig. Die restlichen Artikel sind laut Insidern fehlerhaft. Dritter Punkt: Die beiden Covid-Medikamente sollten breiter eingesetzt werden. Das Deckblatt des Änderungsmanagementplans der Bundesregierung.HEUTE

Skandal bei einem wichtigen Treffen

➤ Die fünfseitige Bestellung wurde dann am Dienstag an die Bundesländer verschickt. Die Quintessenz für Rauch: Seit letzter Woche hat sich fast nichts geändert. Quarantäne ist beschlossene Sache, eine Telefonkonferenz mit staatlichen Gesundheitsberatern wird zur Farce. ➤ Beginn um 14.30 Uhr Minister Rauch machte deutlich, dass er den Erlass bereits unterschrieben habe – obwohl die Prüfungsfrist für die Bundesländer auf 18 Uhr angesetzt sei. Wien ist außer sich und stellt mit Entsetzen fest, dass die Hauptstadt kein Interesse an der Erklärung hat. ➤ Dann um 16 Uhr der Eklat: Obwohl viele Fragen offen bleiben, stehen Minister Rauch und sein Kabinett nach 90 Minuten einfach auf und verlassen die Debatte. Staatssekretär Rauch muss zur Pressekonferenz, sagen die Gesundheitsberater der Länder zusammenfassend. Anschließend stellte Rauch mit Arbeitsminister Martin Kocher die neuen Corona-Regeln offiziell vor. Fakt ist: Wer infiziert ist, darf künftig mit Auflagen ausgehen. Menschen, die mit dem Coronavirus infiziert sind, können ab dem 1. August in das Wirtshaus gehen und anderen beim Schnitzelessen mit Maske zusehen. Die FFP2-Maske erschwert lediglich die Einnahme von „Alkohol oder Psychopharmaka“. Wer aufgibt: Kein Problem, es gibt keine Kontrollen. Was für ein sommerliches Dramolette, bestimmt passend zur Goldenen Himbeere… Nav-Account coi Zeit26.07.2022, 19:33| Bsp.: 26.07.2022, 19:52