„Ärzte und Experten empfehlen Schulen und Kitas, von Stichproben abzusehen“, erklärte Gesundheitsminister Klaus Holetschek (CSU). „Deshalb setzen wir nach den Ferien auf freiwillige Tests für Kinder, Studierende und Beschäftigte, die jeder zu Hause machen kann.“ Der Freistaat stellt die Selbstdiagnostiktests für Schulen und Kindergärten und deren Träger zur Verfügung. Sie konnten die Tests über die Kreisverwaltungsbehörde beantragen. Laut Staatskanzlei können Kindergartenkinder bis zum Alter von fünf Jahren weiterhin kostenlose Einbürgerungsprüfungen an Prüfungszentren ablegen.
Bayern verfügt über große Testreserven
Holecek betonte, Bayern habe vorgesorgt. „Wir haben bei den Landesverwaltungen und dem zentralen Pandemielager ausreichend Tests vorrätig, um beispielsweise Schulen über mehrere Wochen testen zu können.“ Nach Angaben der Staatskanzlei verfügt der Freistaat neben Beständen in Schulen und Kitas über „weitere Bestände von rund elf Millionen Selbstverbuchungssystemen in Kreisverwaltungen und rund acht Millionen Selbstverbuchungssystemen im Pandemie-Zentrallager“. Zusätzlich können bis Ende September bis zu 62 Millionen Selbsttests über bestehende Rahmenverträge angefordert werden. Zur Vorbereitung auf mögliche Herbst-Winter-Szenarien wird der Freistaat außerdem vorsorglich Selbsttests für den Einsatz in Institutionen und Schulen für zusätzlich 20 Millionen Tests pro Monat für den Zeitraum von Oktober bis Dezember ausschreiben. Es sei wichtig, “auf alle Eventualitäten vorbereitet zu sein”, betonte Holecek. Die Coronavirus-Testzentren der rund 150 Landesbehörden sollen laut Kabinettsbeschluss mindestens bis Ende des Jahres in Betrieb bleiben. Gleiches gilt für mobile Teststrecken der Regierung.
Realschullehrerverband: „Schulen sind keine Prüfungszentren“
Die bayerischen Lehrergewerkschaften sind erleichtert, dass die Schulen vorerst nicht mehr für die Durchführung der Prüfungen zuständig sind. „Schulen sind keine Prüfungszentren“, betont der Vorsitzende des Bayerischen Realschullehrerverbandes, Jürgen Böhm, auf BR24-Anfrage. Und die Präsidentin des Bayerischen Lehrerverbandes (BLLV), Simone Fleischmann, sagt: „Es wäre schön, die Verantwortung loszuwerden.“ Für Kinder und Jugendliche außerhalb der Schule wären die Tests aus Böhms Sicht grundsätzlich notwendig. Er finde es gut, Tests für einen bestimmten Zeitraum zur Verfügung zu stellen und “die Verantwortung an die Familie zu geben”. Allerdings sei noch unklar, “wie Studierende zu diesen Selbsttests kommen sollen”.
BLLV: Schulen brauchen klare Leitlinien
BLLV-Präsident Fleischmann sieht bislang viele Fragezeichen. „Ehrenamt“ klingt zunächst gut, muss aber mehr als politisches Kalkül sein und muss medizinisch begründet sein. Vor allem müssen alle relevanten Fragen geklärt werden, Schulen brauchen klare Leitlinien. “Was bedeutet Freiwilligenarbeit? Was sind die Konsequenzen?” Der Test ist nur dann aussagekräftig, wenn festgelegt ist, wie bei einem positiven Ergebnis weiter vorgegangen werden soll. Fleischmann betonte, es sei nicht die Aufgabe der Lehrer, nach einem Kabinettsbeschluss vor Ort konkrete Schritte zu erarbeiten. “Die Landesregierung ist für den Umgang mit dem Coronavirus verantwortlich.”
Ministerium: Schulen und Eltern werden informiert
Wie genau das Thema Schnelltests für Eltern oder Schüler in der Praxis gestaltet werden soll, ließ die Staatskanzlei zunächst offen. Ein Sprecher des Bildungsministeriums versicherte BR24, dass „Schulen und Eltern informiert werden“.
Eine Vollmaskenpflicht in Schulen ist nicht möglich
Das neue Schuljahr beginnt dieses Jahr am 13. September. Im vergangenen Jahr war noch vor den Sommerferien klar, dass die regulären Schulprüfungen aufrechterhalten werden und im Unterricht wieder eine Maskenpflicht besteht – „vor allem um Infektionen durch Reiserückkehrer zu verhindern“. Doch die Länder haben heute deutlich weniger Möglichkeiten als noch vor einem Jahr: Das Infektionsschutzgesetz des Bundes erlaubt derzeit nur den Bundesländern einen Grundschutz. Darunter ist beispielsweise eine Testpflicht in Schulen erlaubt, aber keine Vollmaskenpflicht im Unterricht. Nur wenn Länder per Landtagsbeschluss zu Hotspots erklärt werden, können Länder strengere Maßnahmen für bestimmte Gebiete verhängen. Ein solcher Schritt ist laut Ministerpräsident Markus Söder (CSU) in Bayern derzeit nicht geplant – trotz sehr hoher Sieben-Tage-Fälle in mehreren Regionen und einer angespannten Lage in einigen Krankenhäusern. Die bundesweite Hotspot-Regelung sei undurchführbar und unangemessen, bekräftigte Söder heute.
Piazolo gegen die Schließung von Schulen
Das Infektionsschutzgesetz gilt bis zum 23. September. Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) und Justizminister Marco Buschmann (FDP) verhandeln derzeit auf Bundesebene, welche Maßnahmen die Länder als nächstes gegen das Coronavirus ergreifen könnten. Bayerns Kultusminister Michael Piazolo (Freie Wähler) mahnte, Corona-Maßnahmen an Schulen müssten mit äußeren Beschränkungen in Einklang gebracht werden. „Wir können nicht auf einem Oktoberfest mit fast sechs Millionen Besuchern feiern, ohne Maßnahmen zu ergreifen, während in den Schulen strenge Regeln gelten“, sagte er der Mediengruppe Bayern im Vorfeld der Wiesn. “Das würden die Leute zu Recht nicht mehr verstehen, also müssen die Maßnahmen konsequent sein.” Weitere Schulschließungen wegen einer möglichen Corona-Herbstwelle lehnte der liberale Politiker erneut ab: „Die Schule nicht nur als Lernort, sondern als Ort der Sozialisation ist zu wichtig, als dass wir uns erneut für flächendeckende Schulschließungen einsetzen könnten. Die Maxime lautet Präsenzlehre.”
Dringende Warnung
Der grüne Bildungspolitiker Thomas Göring forderte den Minister auf, “seine eigenen Hausaufgaben zu machen”, anstatt sich über die Bundesregierung zu beschweren. Bislang habe Piazolo die Schulverwaltungen “im Dunkeln tappend in den Herbst getappt”, sagte Gehring dem Evangelischen Pressedienst. Auch BLLV-Vorsitzender Fleischmann fordert von der Landesregierung im BR24-Interview eine „klare Strategie“, Szenarien für den Sturz und Handlungsleitlinien. Gerade jetzt, in der letzten Schulwoche, fragen sich viele Eltern, wie es nach den Ferien weitergeht. “Wir brauchen die Gespräche jetzt.” Es braucht volle Transparenz – zur Corona-Politik, aber auch zur Bewältigung des Lehrermangels und der Integration von geflüchteten Schülern aus der Ukraine. Wenn die Landesregierung hier “auf Sicht” weiterfahren will, heißt das: “Wir fahren im September an die Mauer.” (Mit Material von dpa und epd)