Mexikos Junioren-Taekwondo-Team droht die Disqualifikation von der Weltmeisterschaft, wenn die Mitglieder nicht bis Donnerstag in Sofia, Bulgarien, eintreffen
Quelle: Constantin van Lijnden
Gestrandete Passagiere am frühen Mittwochmorgen am Frankfurter Flughafen
Quelle: dpa
„Dieser Streik ist völlig unnötig, er ist auch völlig übertrieben“, wütete Lufthansa-Sprecher Martin Leutke am Mittwochmorgen vor laufender Kamera. In laufenden Tarifverhandlungen hat die Fluggesellschaft bis zu 15 Prozent mehr Lohn für die niedrigsten und 10 Prozent für die mittleren Lohnempfänger angeboten. Selbst Beschäftigte mit einem Monatsgehalt von 6.500 Euro konnten mit einer Steigerung von rund sechs Prozent rechnen. Lesen Sie auch „Dass sich die Gewerkschaft nach zwei Verhandlungsrunden zu einem so massiven Streik auf Kosten der Kunden entschließt, ist nicht nachvollziehbar und auch nicht gerechtfertigt“, sagt Leutke. Martin Leutke, Leiter Media Relations bei Lufthansa Quelle: Constantin van Lijnden Quelle: Constantin van Lijnden Tatsächlich traf der Ausfall den deutschen Luftverkehr in einer ohnehin angespannten Lage. Am Montag gab die Fraport AG bekannt, dass es am Frankfurter Flughafen trotz des Beginns der Ferienzeit in mehreren Bundesländern zu keinen „übermäßigen Wartezeiten“ gekommen sei. Aber auch diese normalerweise keiner Anzeige bedürftige Erfolgsmeldung war nur möglich, weil in den Wochen und Monaten zuvor bereits mehrere tausend Flüge gestrichen worden waren.
Gefangen im Chaos der Rücknahmen
Sowohl beim Hauptkunden der Lufthansa als auch am Flughafen selbst kam es während der Corona-Pandemie zu massiven Kündigungen, die nicht rechtzeitig durch Neueinstellungen zur Wiederbelebung des Ferienbetriebs kompensiert werden konnten. Aufgrund der katastrophalen Bedingungen mit stundenlangen Wartezeiten, verpassten Anschlussflügen und verlorenem Gepäck hatte der Flughafen seine maximale Kapazität für Starts und Landungen von 106 pro Stunde in den Vorwochen auf zunächst 94 und schließlich auf 88 reduziert, um zu sein zumindest die verbleibenden Passagiere in angemessener Zeit abfertigen können. Nach dieser geringen Stagnation bringt der Streik das gewohnte Mittwochsbild zurück: endlose Schlangen, übermüdete Passagiere, kostenlose Snacks für die Nerven. Die meisten, die ihre Reise von Frankfurt aus angetreten haben, sind gleich zu Hause geblieben, aber viele Transitpassagiere sind in das Umbuchungschaos geraten. Kostenlose Snacks für vielbeschäftigte Reisende Quelle: Constantin van Lijnden Wie Brianne Gillen und Kiro Grouev aus Chicago, die ebenfalls nach Bulgarien fliegen wollten. Es ist der erste Europaurlaub des Paares und ihr Verständnis für die Fluggesellschaft ist begrenzt. „Wir haben eine Hin- und Rückfahrt gebucht, die Tickets kosten über 3.000 Dollar. Die Fluggesellschaften verdienen genug Geld, sie müssen nur ihre Leute ordentlich bezahlen“, sagt Grouev. Dass ihr Flug ausfallen würde, wussten die beiden schon bei Reiseantritt, die nächste Verbindung nach Frankfurt würde es aber erst sechs Tage später geben: Dann sollten sie lieber nach Europa aufbrechen und hoffen, dass es vor Ort eine Alternative gibt, so die Rechnung von vielem Gedränge vor den wenigen geschäftigen Transferschaltern. Kiro Grouev und Brianne Gillen aus Chicago blieben bei ihrer ersten Europareise in Frankfurt hängen Quelle: Constantin van Lijnden Am Mittwochmorgen beträgt die Wartezeit dort bereits dreieinhalb Stunden, bis zum Vormittag hat sich die Schlange der Wartenden fast verdoppelt. „Ich habe nicht in der Schlange gewartet und werde es heute Abend versuchen“, sagt Salyajit Sadekar, ein Unternehmensberater aus Mumbai. Beruflich ist er viel in der Welt unterwegs, aber so einen kompletten Stopp an einem Flughafen hat er noch nie erlebt. Lesen Sie auch Wie er sind viele Fahrgäste gestresst, auch wenn keiner laut oder aggressiv ist. „Diejenigen von uns, die trotz des Streiks gekommen sind, sind freiwillig hier. Und die haben jetzt natürlich schlechte Laune“, sagt ein Lufthansa-Mitarbeiter, der namentlich nicht genannt werden möchte.
“Wir betrinken uns jetzt an der Hotelbar”
Ver.di-Sprecher Marvin Reschinsky weiß von weiteren Szenen zu berichten. Am Mittwoch blieb die Lage bislang friedlich, in den vergangenen Monaten gingen jedoch regelmäßig Beschwerden von Lufthansa-Mitarbeitern ein, die von wütenden Passagieren angeschrien oder gar angegriffen wurden. „Erst gestern habe ich mit einer Frau vom Check-in gesprochen, die von drei Passagieren angespuckt wurde, nachdem die Lufthansa mal wieder kurzfristig einen Flug gestrichen hatte.“
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Die Belegschaft ist nach der Entlassungswelle wegen des Coronavirus extrem dünn, und die Arbeiter wurden ausgelaugt. In dieser Situation reichte das Tarifangebot der Fluggesellschaft einfach nicht aus, zumal ein Teil der versprochenen Lohnerhöhungen vom Ergebnis des Konzerns abhängen muss. „Über den 18-Monats-Zeitraum hätte das Angebot der Lufthansa an die mittleren und oberen Einkommensschichten nicht einmal die Inflation kompensieren können“, sagt Reschinsky.
Ver.di-Demonstration am Flughafen
Quelle: dpa
Am 3. und 4. August sollen erneut Gespräche mit der Airline geführt werden – weitere Streiks davor schließt die Gewerkschaft aus.
Das nützt den Eingeschlossenen in Frankfurt natürlich wenig. Ein paar Stunden später hat Mexikos Junioren-Taekwondo-Team gemischte Nachrichten: Das Team wurde auf einen Flug für den nächsten Tag umgebucht – aber drei von ihnen werden wegen der Verspätung immer noch ihre Weltmeisterschaftsspiele verpassen.
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Für Brianne Gillen und Kiro Grouev ist die Situation ungewiss: „Wir haben für Donnerstag einen Ersatzflug bekommen, der ist aber schon überbucht. Wir sollten trotzdem kommen und hoffen, dass in diesem oder einem der nächsten Flugzeuge noch zwei Plätze frei sind.“ Sie erhalten einen Hotelaufenthalt, aber die Kosten für verpasste Reservierungen am Zielort sind weg.
Doch darüber wollen sich die beiden im Moment keine Gedanken machen: „Wir betrinken uns an der Hotelbar.“
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