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Das Auftragswerk der SWR Festspiele Bregenz und Schwetzingen basiert auf dem gleichnamigen Roman des schwedischen Autors Per Olov Enquist. Julia Hochstenbach hat daraus ein bühnentaugliches Libretto gemacht. Es geht um zwei Jungen im ländlichen Schweden (gespielt von Countertenor Iurii Iushkevich und Johanna Zimmer), die bei der Geburt vertauscht wurden. Die Hebamme war schlampig und Gottes Plan soll nun durch den gerechten Staat wiederhergestellt werden. Dass hier Blut dicker fließt als familiäre Identität und Vertrautheit, stört die Dorfgemeinschaft nicht, und selbst die Mütter (beide stark gespielt von Noa Frenkel) unterwerfen sich zunächst fraglos der kirchlich-staatlichen Autorität. Mit diesem vermeintlichen Ordnungsakt beginnt jedoch ein Strudel aus Wahnsinn und Verzweiflung. Die Freundschaft der Jungen ist zerstört, die Mütter durch ihre traumatischen Erlebnisse zerrissen. Immer wieder wird die Handlung unterbrochen, und die Jungs finden sich in „Captain Nemos Library“ wieder – einem mystischen Ort der Selbstreflexion, wahrer und falscher Geschichten, unterschiedlicher Interpretationen des Geschehens. Dort, wo der Schmerz größer und die Verzweiflung deutlicher ist, kommen sie schließlich zu dem erlösenden Schluss, den Ort ihrer Kindheit in Brand zu setzen. ©anja Köhler | andereart.de Für die Bühne baute Angela Baumgart eine Glaskuppel, die in der großen Werkstattbühne Intimität schafft und durch deren Fenster man die Welt sehen kann. Conny Klar hält sie in bewegten Bildern fest. Mal zeigen sie das schwedische Dorf, mal die mystische Unterwasserwelt des Nautilus und ermöglichen es, schnell den Übergang von der beklemmenden Atmosphäre der Küche zur verträumten und zugleich schmerzhaften Innenwelt unter dem Meer zu finden.

Die Puppen verkörpern die Hauptfiguren als Kinder

Als gestalterisches Highlight verkörpern die Puppen die Hauptfiguren als Kinder, denen die beiden inzwischen erwachsenen Protagonisten in ihrem Leid zusehen und ihnen manchmal tröstend zur Seite stehen. Gleichzeitig wird die Geschichte durch die Puppen universell, weil niemand sie spürt, sondern sich von ihnen distanziert, sie als etwas Vorbildliches, als Menschen für sich betrachtet. Trotz des professionellen und fantasievollen Puppenspiels sorgt die Art und Weise, wie die Puppen geführt werden und die Hauptdarsteller doppeln, leider auch für ständige Verwirrung auf der Bühne. Auch die durchweg atonale und sopranorientierte Musik hindert einen daran, ganz in die Töne und Dramatik einzutauchen. Doch das zwölfköpfige Ensemble Modern und die Sänger interpretieren Kalitzkes Komposition mit Präzision und Können. Die elektronischen Mischungen fügen sich nahtlos in die Klanglandschaft ein und die Komposition schafft es, die ständige Anspannung und geistige Zerrissenheit, Unruhe und Nervosität der Charaktere zu unterstreichen. Trotz des dramatischen Potenzials und sehr guter künstlerischer Leistungen sowie der gelungenen stimmungsvollen Innenausstattung gibt es vom Publikum am Ende nur höflichen Applaus. Der Auftritt des Ensemble Modern wird noch immer bejubelt. Am Freitag, 29. Juli, findet eine weitere Aufführung statt.