Vor der Karlskirche wird dieser Tage wieder musiziert © APA/FLORIAN WIESER
Vor der Karlskirche tut sich wieder viel: Nach zwei pandemiebedingt reduzierten Auflagen hat das Wiener Popfest in diesem Jahr seine traditionelle Spielwiese zurückerobert. Das bedeutete zu Beginn des Donnerstags neben der obligatorischen FM4-Ente jede Menge Action auf der Seebühne, ein bunt gemischtes Publikum aus Jung und Alt, das sich zwischen den Spielplätzen und Getränkeständen amüsierte, und jede Menge Musik. Abwechslung war jedenfalls angesagt. Die Kuratierung übernehmen in diesem Jahr die Musikjournalistin Dalia Ahmed und Ja, Panik-Sänger Andreas Spechtl. Beide haben wirklich etwas vor. „Wir eröffnen nach einem Jahr Arbeit endlich“, sagte Spechtl dem Publikum zum Auftakt. “Passt aufeinander auf!” Kein Problem, denn die erste Nacht in der idyllischen Lage ließ viele Vorlieben zu. Es gab Rap, Indie-Rock, lustigen Lo-Fi-Pop und einen tollen Pop-Act zu erleben. Aber eins nach dem anderen. Bevor es auf der großen Seebühne losging, konnte Tausendsassa Wolfgang Möstl sein neustes Projekt zwischen den Bäumen präsentieren: Als „Ambient-Pop-up“ angekündigt, der erste Teil der dreiteiligen „Voyage Futur“ zu erleben, die sich zwischen Retro-Computern und Topfpflanzen äußerst entspannt präsentierte. Wenn Sie mehr darüber erfahren möchten, haben Sie in den nächsten Tagen noch die Möglichkeit, dies zu tun. Die Bühne im Wasser wurde schließlich von Kerosin95 und mit ihm eingängigen und aggressiven Sounds eröffnet. „Was geht, Popfest? Lass uns Lärm machen!” Das musste man sich nicht zweimal sagen: Die knackige Performance, die von DJ All Inclusive passend mit Beats und Sounds unterstützt wurde, war nicht nur ein Fest für alle „Mover“, sondern sorgte auch dafür, dass die frühen Morgenstunden voll waren Menschen, die Songs wie „Außen hart, innen fluffig“ oder „Futter“ zelebrierten. Als auch die Glocken der nahe gelegenen Karlskirche läuteten, rief Kerosin95 überrascht aus: „Habe ich jetzt die Unterstützung der Kirche? Es wäre nicht wegen mir, aber okay.” Jedenfalls war klar, dass jemand mit einer Nachricht vor Ort war. Wien sei zwar stolz darauf, eine sichere Stadt für queere Menschen zu sein, „aber ich fühle nichts davon“, sagte Kerosin95. „Aber ihr gebt mir Sicherheit“, war der Dank an die Anwesenden, die von Anfang an dabei waren. Schließlich sei er „nur Zach als Transperson in dieser bösen Musikindustrie“. Das Gespräch muss „tief“ in die Gesellschaft als Ganzes gehen, und ich bin so erschöpft. Daher konnte Kerosin95 nur sagen: “Bitte, nimm deinen Arsch!” Was mit der „Dynasty Trans Agenda“ dokumentiert wurde. Der Rest des Abends war so abwechslungsreich wie dieses Intro kantig und politisch: Euroteuro war in guter Stimmung und Urlaubsstimmung, als Peter T. und Katerina Maria Trenk sich durch ein lustiges Synth-Pop-Set aus Konservenklängen sangen. Dementsprechend warf Trenk ein: “Wie geht’s der Band?” Und T. antwortete: “Nun, es ist 0 und 1 und 1 und 0.” Klare Ansage. Leider gab es in Friedberg einen Dämpfer: Die Indie-Band von Anna Friedberg (ehemals erfolgreich als Anna F.) spielte zwar nette Songs, aber leider waren sie in Sachen Performance und Sound eher mittelmäßig. Fast keine Breaks sorgten hier für Schwung, Bass und Schlagzeug erzeugten einen eigenwilligen Eindruck zwischen aktiv und entspannt, während der Gesang fast vollständig im nächtlichen Nirgendwo versank. Es half nicht, dass “Pass Me On”, eine der besten Nummern, zweimal angeboten wurde. Eine ziemlich altbackene Prämisse. Doch das war wenige Minuten später im W1ZE geschafft: Die queere Sängerin mit Wurzeln in Zimbabwe, Deutschland, Indien und Malaysia trug bei ihrem ersten Auftritt mit der Band nicht nur ein passend engelhaftes Outfit, sondern vor allem einen klaren Sound. Ihre Seite. Hier wurde gefühlvoller R’n’B abgeliefert, der zwar etwas hipp ist, aber durch die instrumentale Darbietung auf eine tolle Erdung trifft. „Ich bin ein bisschen nervös und ängstlich, aber ich fühle so viel Liebe“, sagte sie früh. Wenn man so überzeugend agiert, gibt es natürlich viele Glücksgefühle. Dies ebnet auch den Weg für die folgenden Tage, an denen bis Sonntag noch einiges mehr auf und um den Karlsplatz passieren wird. Acts wie Ebow, Crack Ignaz, Farce, Dives, Kenji Araki und Sophie Blenda werden die Vielfalt des lokalen Pops hervorheben, mit brechendem Lärm ebenso wie fragilen Klaviermelodien und scharfer Gesellschaftskritik. Das Popfestival ist zwar kostenlos, aber alles andere als kostenlos: Entdecker können hier ihrer Leidenschaft frönen. Weitere Informationen zum Programm auf popfest.at