Erstens würden Affenpocken nicht übertragen, wenn die infizierte Person keine Symptome wie Pockenbläschen und Pusteln habe, sagte Vernazza in einem am Freitag veröffentlichten Interview mit der «Neuen Zürcher Zeitung». Infizierte wissen, dass sie ansteckend sind.

Immunität nach Heilung

Zweitens sind Menschen mit Affenpocken nicht lange ansteckend. Wenn die Blasen verheilt sind, ist die Person immun. Anders sieht es bei den AIDS verursachenden HI-Viren aus: Sichtbare Symptome treten meist erst Jahre nach der Ansteckung auf, Infizierte sind aber schon vorher ansteckend. Drittens, so Vernazza, seien Affen-Pcken-Viren nach aktuellem Wissensstand kaum über Blut übertragbar. „Die Übertragung von Affenpockenviren erfordert engen Körperkontakt, aktuell fast immer durch sexuellen Kontakt“, sagt der Infektiologe. Laut Vernazza kann die Isolation helfen, die Krankheit unter Kontrolle zu bringen. Wer infiziert ist, sollte vermeiden, dass von Blasen betroffene Körperstellen mit anderen Menschen in Kontakt kommen. Wer von einer Infektion weiß, wird vorübergehend die Zahl der intimen Sexualkontakte reduzieren.

Stigmatisierung ist kontraproduktiv

Die bisher in der Schweiz gemeldeten Fälle von Affenpocken betrafen fast ausschliesslich Männer, die Sex mit anderen Männern hatten. Laut Vernazza sind unvoreingenommene, informierte und vor allem motivierende Informationen für diese Menschen wichtig. Stigmatisierung und Zwangsmaßnahmen sind kontraproduktiv. Vernazza äußerte seine Überzeugung, dass der Affenpocken-Ausbruch in der Schweiz dieses Jahr wieder abflauen werde. Es kann immer wieder zu Ausbrüchen kommen, aber die am stärksten Betroffenen lernen nun, mit der Krankheit umzugehen und ihr Verhalten anzupassen. Bisher wurden in der Schweiz rund 260 laborbestätigte Infektionen gezählt, wie der Bundesgesundheitsdienst (BAG) auf seiner Website schreibt. Am vergangenen Samstag hat die Weltgesundheitsorganisation (WHO) wegen Affenpocken den internationalen Gesundheitsnotstand ausgerufen. Pietro Vernazza ist ehemaliger Chefarzt der Klinik für Infektiologie und Spitalhygiene am Kantonsspital St. Gallen. Ende August 2021 trat er in den Ruhestand.