Hast du dieses Jahr eine Flugreise geplant? Wenn ja, viel Glück – denn Sie werden es brauchen. Der Warnstreik des Lufthansa-Bodenpersonals endete gestern Morgen. Aber je nachdem, wie die Verhandlungsrunde nächste Woche ausgeht, könnte die Arbeit wieder ins Stocken geraten. Und Piloten könnten bald streiken. Mitten in der Ferienzeit – und dann wieder in der ersten nach zwei Jahren strenger Pandemie-Regelungen und Ungewissheit. Skandal, schreien jetzt einige, darunter natürlich auch die Arbeitgeberseite. Lufthansa-Personalvorstand Michael Niggemann tadelte die streikenden Schalter, Flugzeugtechniker und Traktorfahrer: „Ich halte diesen Warnstreik für völlig absurd.“ Steffen Kampeter, Hauptgeschäftsführer der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände, kritisierte: „Hier werden nachvollziehbare Urlaubswünsche der Menschen schamlos ausgenutzt, um sich einen Vorteil zu verschaffen.“ Wird geladen… Einfügung An dieser Stelle lohnt es sich, kurz innezuhalten. Sie erinnern sich vielleicht an die Wochen vor dem Streik. An fast allen großen Flughäfen Deutschlands herrschte Chaos: Passagiere warteten teils stundenlang an Check-in-Schaltern und Sicherheitskontrollen, Fluggesellschaften machten der Bahn mit Verspätungen Konkurrenz, Koffer stapelten sich im Gepäckraum. Viele Fluggesellschaften reduzierten daraufhin das Flugangebot, allein die Lufthansa strich im Juli und August mehr als 5.000 Flüge. Der Grund: Personalmangel. Sicherlich ist diese Erholungsphase nach der Pandemie auch für Airlines eine Herausforderung. Lufthansa-Chef Carsten Spohr hat bereits eingeräumt, dass es der Vorstand “so oder so” mit den Einsparungen hätte übertreiben können. Die – verständliche – Belästigung der Passagiere überließ man jedoch anderen: dem Bodenpersonal. Die sollen Zehntausenden Deutschen den Urlaub verderben. In den vergangenen zwei Jahren haben sie und andere Mitarbeiter von Fluggesellschaften und Flughäfen Kurzarbeit, Gehaltskürzungen und viele Kolleginnen und Kollegen verlassen müssen. Jetzt arbeiten sie unterbesetzt am Limit, schleppen Passagiere und Gepäck ab und werden an den Schaltern von wütenden Passagieren belagert – manchmal für weniger als zwölf Euro die Stunde. In den großen Städten, wo die Flughäfen in der Nähe sind, ist es schwierig, von diesem Gehalt gut zu leben. „Völlig inakzeptabel“, um es mit den Worten des Personalchefs zu sagen, könnte auch für diese Arbeitsbedingungen gelten. Arbeitskräftemangel herrscht nicht nur in der Luftfahrtindustrie – sondern auch in vielen anderen Branchen, die unter der Pandemie besonders gelitten haben und in denen die Löhne niedrig sind. Wie im chronisch unterbesetzten Pflegebereich, dessen Arbeitern zu Beginn der Pandemie eigentlich bessere Arbeitsbedingungen versprochen wurden. Immerhin kamen die Arbeiter in Nordrhein-Westfalen zuletzt in einem wochenlangen Streik kaum voran. Sonst ist fast nichts passiert. Und dann ist da noch die Gastronomie. Wenn Sie kürzlich in einer Bar waren, ist Ihnen vielleicht aufgefallen, dass an fast jeder Tür ein Schild mit möglicherweise mehreren Stellenangeboten hängt. Der Service, die Küche, die Bar werden durchsucht. Dann haben Sie vielleicht schon mal eine gestresste Kellnerin gesehen, die von Tisch zu Tisch geeilt ist, Bestellungen entgegennimmt, Geschirr aus der Küche holt, Gäste abholt, die Tische wieder abräumt und dann hier noch ein Bier und ein extra Teller und wo ist der Kaffee für Tisch zwei? Zuletzt habe ich es in einer Brauerei erlebt: Vorne eine Terrasse, hinten eine, dazwischen die Bar. Alle Tische draußen waren besetzt, plus ein paar drinnen. An diesen geschätzten 30 Tischen saßen zwei Kellnerinnen – eine davon war noch sehr jung und offensichtlich neu. Der andere erwähnte mir gegenüber, dass es einfach keine weiteren Interessenten gebe. Ihre Erklärung: Die wenigen Kandidaten, die auftauchen, schauen sogar auf die Größe des Ladens und sagen als Begründung „Für den Mindestlohn würde ich das nicht machen“. Denn für das Gehalt lassen sich Jobs finden, die deutlich weniger anstrengend sind – und die nicht mit dem nächsten Lockdown enden. Aber was folgt daraus? Nun kann man natürlich nur hoffen, dass sich der Arbeitsmarkt in den kommenden Jahren wieder anpasst und die verbliebenen Arbeitskräfte bis dahin durchhalten. Allerdings dürfte das auch für Unternehmen schwierig werden: Viele Restaurants haben bereits zusätzliche Ruhetage eingeführt oder die Speisekarte gekürzt. Und für Fluggesellschaften dürfte das Chaos der vergangenen Wochen zum Imageproblem werden – schließlich galten Flugreisen zumindest in Deutschland als zuverlässiger als Bahnreisen. Diese Hoffnung ist für das Gastgewerbe offensichtlich sehr gefährlich. Immerhin etwas mehr als die Hälfte der Tarifbeschäftigten kann sich in diesem Jahr über schrittweise anständige Lohnerhöhungen freuen – manchmal um mehr als 20 Prozent. Aber anders lassen sich die Menschen nicht für Jobs gewinnen, wie der Präsident des Bayerischen Ernährungs- und Getränkeverbandes (NGG) kürzlich der Süddeutschen Zeitung sagte. Dagegen fällt die Forderung der Gewerkschaft Verdi an die Lufthansa – 9,5 Prozent mehr Bodenpersonal – fast bescheiden aus. Für uns Kunden bedeutet das: Es wird teurer. Abgesehen von den restlichen Preiserhöhungen sind dies zum jetzigen Zeitpunkt natürlich keine erfreulichen Neuigkeiten. Aber diejenigen, die heute am wenigsten verdienen, werden davon profitieren. Und so wie bisher kann es nicht weitergehen. Neben menschenwürdigen Löhnen und besseren Arbeitsbedingungen verdienen Arbeiter in diesen Branchen noch etwas anderes. Gleich nach dem letzten Lockdown, als die Gastronomie wieder aufmachte, seien die Gäste alle so freundlich gewesen, erzählte mir die Kellnerin vom Brauhaus. Jetzt ist das vorbei. Auch wenn das Essen etwas länger dauert oder das Bier erst nach fünf Minuten auf dem Tisch steht, ärgern sich die ersten. Also, liebe Leserinnen und Leser: Wenn etwas schief geht, lassen Sie Ihren Ärger nicht am Bodenpersonal, Kellnern, Pflegepersonal oder anderen aus. Das ist die falsche Adresse.

Die Termine

Außenminister Baerbock ist gestern in Griechenland eingetroffen und hat mit Einwanderungsminister Panagiotis Mitarachis ein Flüchtlingslager besucht. (Quelle: Annette Riedl/dpa-Bilder) Annalena Baerbock ist derzeit in Griechenland und reist dann in die Türkei. Thema ist natürlich der Krieg in der Ukraine und seine Folgen, aber auch der Konflikt zwischen den beiden Staaten steht im Fokus. Nato-Partner streiten um Gasfelder in der Ägäis, die Stimmung ist schlecht. Kürzlich hat die Türkei sogar damit gedroht, die griechische Souveränität über Inseln wie Kos, Kreta und Rhodos nicht mehr anzuerkennen. Wird geladen… Wird geladen… Wird geladen…