Die Szene stammt aus dem legendären Actionfilm von 1990, der Fortsetzung des Kultfilms Stirb langsam. Bruce Willis kehrt zurück – und ist beeindruckt von den Waffen der Terroristen: „Dieser Penner hat eine Glock 7! Weißt du was das ist!?” Willis’ Charakter fragt einen am Boden zerstörten Sicherheitsbeamten. „Eine Porzellanpistole, made in Germany, beim Röntgen unsichtbar. Kostet mehr, als man im Monat verdient!“ Fast jedes Wort in diesen vier Sätzen ist inhaltlich falsch – das ist eine Glock 17, eine Waffe mit Plastikteilen, made in Niederösterreich, bei Sicherheitskontrollen gut erkennbar und obendrein billiger als alle Hauptkonkurrenten. Trotz dieser Masse an Fehlern war die Szene in „Die Hard 2“, der erste Auftritt der Waffe in Hollywood, rückblickend einer der Wendepunkte in der verrückten Geschichte um Gaston Glock und die wohl wichtigste Pistole aller Zeiten. Es begann in einer unscheinbaren Garage in Deutsch-Wagram (Bezirk Gänserndorf).
Von Autoteilen bis hin zu Messern und Waffen
1980 führte Gaston Glock, damals in den Fünfzigern, mit seiner Frau Helga ein kleines Nebengeschäft nahe der Wiener Stadtgrenze, schreibt der amerikanische Journalist Paul M. Barrett. Im Hauptberuf stellte Glock Autokühler her und hatte in der Garage neben seinem Haus eine Metallpresse. Dort fertigte er zunächst Messingbeschläge für Fenster und Türen, doch ab den 1970er Jahren kamen militärische Suchmesser und Bajonette hinzu – Glocks erster beruflicher Kontakt mit dem Militär und der Waffenhändlerwelt. wikimedia commons/Steve Dock CC BY-SA 3.0 Glock FM 78 Feldmesser mit Kunststoffgriff, seit den 1970er Jahren vom Militär verwendet Im Februar 1980 schließlich ereignete sich das Ereignis, das die Waffenindustrie weltweit verändern sollte – so berichtet zumindest Barrett in seinem 2012 erschienenen Buch „Glock – The Rise of America’s Gun“. Folglich wurde Glock zufällig Zeuge eines Gesprächs zwischen zwei Armeeoffizieren. Sie beschwerten sich, dass es keine geeignete Waffe gab, um die alten Pistolen aus dem Zweiten Weltkrieg zu ersetzen. Steyr, der etablierte österreichische Waffenhersteller, konnte die Forderungen nicht erfüllen und nun verliert die militärische Führung die Geduld.
Versandnachricht
“Radio Niederösterreich am Nachmittag”, 29.7. „Glock unterbrach die beiden und fragte, ob eine andere Firma – seine – anbieten könnte“, schreibt Barrett. “Die Vorgesetzten haben nur gelacht.” Schließlich hatte der Geschäftsmann, abgesehen von einem kurzen Einsatz als Jugendlicher im Zweiten Weltkrieg, keinerlei Erfahrung mit Schusswaffen. Jetzt wollte er also einige der berühmtesten Rüstungsunternehmen der Welt übernehmen? Glock zuckte nicht zusammen. Nach einem Gespräch mit Verteidigungsminister Otto Rösch (SPÖ) ging er das Risiko ein. Er analysierte die damals verfügbaren Modelle bis ins kleinste Detail und nutzte einige Kontakte zu Militär- und Waffenexperten, um Anforderungen an eine möglichst ideale neue Pistole zu formulieren. Anschließend begann er mit der Konstruktion der ersten Prototypen.
Hohes Risiko, nicht nur finanziell
„Die Entwicklung war auf zwei, drei Personen beschränkt“, erklärte Glock später dem ORF in einem seiner äußerst seltenen Fernsehinterviews. Dadurch war eine schnelle Abfolge von Prototypen möglich. Von der Idee bis zum Test habe es meist nur zwei bis drei Tage gedauert – „das hat uns so schnell bewegt“. Der Geschäftsmann soll die Tests mit den Prototypen persönlich durchgeführt haben. „Er hat sich selbst erschossen, nur mit seiner linken Hand“, schreibt Reporter Barrett. “Wenn eine Waffe losgegangen wäre, hätte er immer noch seine gute rechte Hand, um weiter Pläne zu schmieden.”
Die neue Plastikpistole sorgt für Aufregung
1982 berichtete die ORF-Sendung „10 vor 10“ über die vielversprechende Erfindung aus Deutsch-Wagram. Der schüchterne Erfinder sagt auch seine Meinung. Ein Jahr später, im April 1981, war es dann soweit und es wurde ein Patent angemeldet. Es war Gaston Glocks 17. Erfindung, „also nannte er seine Waffe ‚Glock 17‘“, sagt Barrett. Ein weiteres Jahr später erhielt das Militär mehrere Pistolen, um sie ausgiebig zu testen.
Triumph über Konkurrenten
Das Ergebnis des Verteidigungsministeriums im November 1982 war eindeutig: Der Neuling und Außenseiter ließ die Konkurrenz hinter sich. Die etablierten und renommierten Büchsenmacher Heckler & Koch (Deutschland), Sig-Sauer (Schweiz), Beretta (Italien), Fabrique Nationale (Belgien) und natürlich Steyr (Österreich) mussten sich geschlagen geben. Glock triumphierte auf ganzer Linie – und verkaufte 20.000 seiner ersten Pistole auf einen Schlag. Wie konnte das passieren? „Mein Vorteil war, dass ich vorher nichts wusste“, sagte Glock später. Er hatte seine Pistole von Grund auf neu entwickelt, ohne bestehende Prozesse und Maschinen zu berücksichtigen. Gleichzeitig hatte er das Glück, in der Vergangenheit mit hochwertigen Kunststoffen gearbeitet zu haben, so auch bei den Griffen seiner Messer.
Eine neue Ära in der Geräteproduktion
Während der Lauf noch aus massivem Stahl bestand, wurde beim Rest der Waffe viel Kunststoff verwendet. Der dafür benötigte hochwertige Kunststoff war bis vor Kurzem nicht verfügbar. Gleichzeitig verschaffte dies eine ganze Reihe von Wettbewerbsvorteilen. Die Pistole war nicht nur merklich leichter, sondern auch deutlich günstiger in der Herstellung. Es wurden weniger Einzelteile benötigt, wodurch es weniger technische Probleme wie Verklemmungen gab. Auch die Magazine waren größtenteils aus Plastik – wie der Modellname schon sagt, fassten sie 17 Schuss. Dies bedeutete einen enormen Vorteil, nicht nur gegenüber sechsschüssigen Revolvern, sondern auch gegenüber vielen anderen Pistolen. Außerdem wurde der bei den Pistolen serienmäßige manuelle Sicherungshebel entfernt. Stattdessen wurde ein neuer Sicherheitsmechanismus verwendet, der direkt in den Abzug eingebaut und daher intuitiver zu bedienen ist. Soviel zum „Mythos Glock“ um den smarten Waffenhersteller aus Deutsch-Wagram, wie der US-Journalist Barrett berichtet.
Zweifel am „Mythos Glock“?
Es gibt eine zweite Version dieser Geschichte. Erzählt Ingo Wieser, derzeit Geschäftsführer eines Sicherheitsforschungsunternehmens in Baden und einer der bekanntesten forensischen Experten für Schusswaffen und Sprengstoff in Österreich. Wieser, damals Mitte 20, war um 1980 Leiter der Abteilung Leichte Waffen-Schießversuche des Heeres – und damit direkt zuständig für die Pistolenprüfung. 1979 erwarb er 22 verschiedene Pistolen. Er unterzog sie einer Reihe von Härtetests, in denen sie unter anderem ihre Langlebigkeit und Zuverlässigkeit unter Beweis stellen mussten. „Das war eine sehr aufwändige Untersuchung, die erste ihrer Art und in dieser Form“, sagt der Waffenexperte gegenüber noe.ORF.at. Als Sieger stand die italienische Beretta 92 SB fest. Aber Steyr, der einzige vollösterreichische Kandidat, wollte sich nicht mit ihm anlegen.
Glock 17: „Nicht die beste, aber sehr nützlich“
Ihre Pistole, die „GB“, war mit bahnbrechender Technik ausgestattet – die aber laut Wieser noch nicht ausgereift war und die Tests nicht bestanden hat. „Die Firma Steyr hat dann interveniert, über den Landeshauptmann zum Minister. Dann kam die Anweisung, sich eine österreichische Pistole zu besorgen“, sagt der pensionierte Offizier. Da Sie dennoch nicht auf die fehleranfällige Waffe aus Steyr zurückgreifen wollten, wandten Sie sich an andere potenzielle Unternehmen, darunter an Gaston Glock, der bereits Vorkenntnisse im Umgang mit Kunststoff-Messergriffen hatte. „Herr Glock hat dann von uns alle Vorgaben bekommen, wie es aussehen soll und alle Vorschläge“, sagt Wieser. “Natürlich hatte ich nach dem Testen der 22 Waffen viel Erfahrung und wusste, was bei jeder Waffe optimal war.” Glock habe sich dann “zwei Büchsenmachermeistern aus Ferlach angeschlossen, die es dann umgesetzt haben”. Nach mehreren Prototypen ließ das Militär die neue „Glock 17“ testen. Im Vergleich zur Konkurrenz „war es nicht das Beste, aber sehr brauchbar“, sagt Wieser. Das gute Preis-Leistungs-Verhältnis gab schließlich den Ausschlag für die Handfeuerwaffe von Glock.
Von Deutsch-Wagram in die weite Welt
Nicht nur das Militär entschied sich für die neue „Glock 17“, auch die österreichische Polizei zog bald darauf nach. Dadurch wurde die Waffe auch in internationalen Fachkreisen zum Thema – bald wurden internationale Spezialeinheiten sowie die schwedischen und norwegischen Armeen damit ausgerüstet. Letzterer war zu diesem Zeitpunkt bereits Mitglied der NATO und stand in engem Kontakt mit deren Verbündeten. Dies wiederum war einer der ersten Berührungspunkte mit dem Markt, der sich in kurzer Zeit zum wichtigsten entwickeln sollte: den USA, dem Land der Waffenfans, wie es oft genannt wird. Und hier hat Glock einen Nerv getroffen, das Timing war wieder gelungen. Viele Polizisten und Spezialeinheiten suchten seit Jahren nach Alternativen zu den damals eingesetzten Waffen. Herkömmliche Polizeirevolver mit nur sechs Patronen…